Ein Teil des sechswöchigen Einsatzes, der soeben zu Ende gegangen ist, fand im Flüchtlingslager Al-Zaatari statt. Hier leben zurzeit rund 80’000 Menschen, die meisten von ihnen aus Syrien. Neben IT-Kursen (wir berichteten am 26. Oktober) und einem abwechslungsreichen Kinderprogramm konnten wir diesen Herbst erneut sportliche Aktivitäten anbieten. Im Gegensatz zu Handball (wir berichteten im Juni) ist Unihockey im Nahen Osten kaum bekannt. Den bewegungsfreudigen und wissbegierigen jungen Leuten diesen Sport näherzubringen, war denn auch ein besonderes Erlebnis. Die Studentin Anne (23) berichtet.
Bei unserer Ankunft stellten wir mit Freude fest, dass das Material, das wir im Dezember nach einem ersten eintägigen Unihockey-Training hiergelassen hatten, noch komplett war. Und was uns noch mehr freute: Die Stöcke, Bälle und die Ausrüstungen für den Goalie sahen gebraucht aus! In der Hoffnung, dass im Zaatari-Camp eine Art Unihockey-Club entsteht, widmeten wir den ersten Tag ganz der Ausbildung von einigen Erwachsenen, die in Zukunft als Coaches fungieren sollten. Sie sollten nach unserer Abreise das Training weiterführen. An den beiden nächsten Tagen kamen jeweils rund 120 Personen ins Training: morgens 60 Jungs, nachmittags 60 Mädchen. (Aus kulturellen Gründen findet Sport nur geschlechtergetrennt ab; zudem ist das Spielfeld von einem Zaun inkl. Sichtschutz umgeben.)
Nachdem die Grundzüge des Spiels erklärt waren, machten wir mit den Jungen einige Übungen – und dann wurde gespielt. Die frischgebackenen Coaches halfen tatkräftig mit, und so entstand in kürzester Zeit ein relativ gutes Spiel, trotz des eher ungeeigneten Sand-Kies-Bodens. Wir waren begeistert, wie rasch diese Kinder und Teenager das Gelernte umsetzen konnten. Bei den Mädchen lief zunächst alles etwas ungeordnet ab – dafür wurde viel gelacht und sogar gesungen. Doch auch hier zeigten Einzelne erstaunliches Talent und begriffen das Konzept des Spiels extrem rasch. Allgemein war es einfach herzerwärmend zu erleben, wie die Teilnehmenden die Nähe der Erwachsenen suchten und unsere Aufmerksamkeit genossen.
Der letzte Tag brachte den Höhepunkt der Woche: das Turnier. Nachdem alle fünf Teams gegeneinander gespielt hatten, gab es ein Halbfinal und schlussendlich ein Final. Die Stimmung war ausgelassen. Die Kinder der anderen Teams sangen den Namen der jeweiligen Coaches während des ganzen Spiels und feuerten so die Mannschaften an.
Es war wunderschön zu sehen, wie die Männer, die wir als Coaches ausgebildet hatten, voller Stolz ihre Mannschaft anleiteten. Während des Einsatzes sind uns so viele Männer begegnet, die alles verloren haben, die weder arbeiten noch ihre Familie versorgen können und die alle Hoffnung aufgegeben haben. Und auch wenn dies vielleicht unbedeutend erscheinen mag, so hatten wir doch den Eindruck, dass diese Männer wieder aufrechter standen und in ihrer neugefundenen Aufgabe geradezu aufblühten.
Wir sind guten Mutes, dass es weitergeht: Mit zwei neuen Sets Ausrüstung, die wir vor Ort lassen konnten, und all den motivierten Coaches und Spielern steht einer neuen Blütezeit des Unihockey im Nahen Osten nichts mehr im Wege! Und eines Tages wird man vielleicht sagen: «Alles begann im Zaatari-Camp …» 😉
Zum Schluss noch ein paar Worte zu einer kleinen Begebenheit, die mir persönlich ebenfalls als Highlight in Erinnerung bleibt: Am dritten Tag nach Programmschluss entstand spontan ein fröhlicher Unihockey-Match zwischen unserem Team, Mitarbeitenden des Flüchtlingscamps und den lokalen Coaches. Frauen und Männer, Syrier, Jordanier und Schweizer spielten und lachten zusammen, und alles Trennende war wie weggewischt.
Für eine kurze Zeit war dieser Friede, der Grenzen und Schwierigkeiten überwindet und von dem wir träumen, irgendwie spürbar.